Humboldt-Universität zu Berlin - Lebenswissen­schaftliche Fakultät - Institut für Psychologie

Ära GOTTSCHALDT (1946-1961)

Am 29. Januar 1946 wird die Berliner Universität wiedereröffnet. Am 12. September desselben Jahres wird die Pädagogische Fakultät mit dem Dekan Arthur LIEBERT (1878-1946), bis 1933 namhafter Vertreter der Neukantianer (ab 1934 an der Universität Belgrad), eröffnet. Kurt GOTTSCHALDT (1902-1991) wird zum ordentlichen Professor und Direktor des Instituts für Psychologie berufen. 1947 führt K.GOTTSCHALDT die Diplomausbildung in Psychologie erneut ein. Am 8.Februar 1949 wird die Berliner Universität in "HUMBOLDT-UNIVERSITÄT zu BERLIN" umbenannt. Das Institut für Psychologie erhält das Gebäude in der Oranienburger Straße 18.

Bis 1954 wird das Institut für Psychologie erneut zu einem sehr leistungsfähigen Institut ausgebaut. 41 Räume stehen zur Verfügung. Das Institut verfügt über Werkstätten, ein Fotolabor, eine Kindertagesstätte, die auch für entwicklungspsychologische Untersuchungen genutzt wird, eine Poliklinik wird eingerichtet, ebenso eine Abteilung für Tierpsychologie. Psychophysiologische Methoden werden investiert und erprobt (EEG, elektrodermale Reaktion). 1954 stehen Kurt GOTTSCHALDT ein Oberassistent und 10 Assistenten zur Seite. Hinzu kommen 10 Aspiranten Diese Personalsituation erlaubt auch eine Anknüpfung an der experimentalpsychologischen Tradition des Institutes Das Institut für Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin wird die gewichtigste Lehr- und Forschungseinrichtung für Psychologie in der DDR.

Von Dezember 1951 bis zum Sommer 1954 fanden unter GOTTSCHALDTs Leitung Aspiranten-Kolloquia für den wissenschaftlichen Nachwuchs der Psychologie in der DDR statt. So wurde die erste Generation der Hochschullehrer auf dem Gebiet Psychologie maßgeblich von GOTTSCHALDT geprägt.

1954 gab Kurt GOTTSCHALDT die "Zeitschrift für Psychologie" mit Band 157 erneut heraus. Sie wird seither in enger Bindung an das Institut für Psychologie herausgegeben. Als ordentliches Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin ( seit 1962 auswärtiges Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR) erreichte GOTTSCHALDT 1955 die Einrichtung einer "Arbeitsstelle für experimentelle und angewandte Psychologie" der Akademie, welche im Institutsgebäude angesiedelt wurde. Als Dekan der Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften der Humboldt-Universität (1953-1957) konnte GOTTSCHALDT die Einbindung seines Instituts in diese Fakultät festigen.

Im Fokus seines Foschungsinteresses stand nach Erinnerungen seiner Schüler die Fortführung einer nach 1935 am Kaiser -Wilhelm -Institut für Anthropologie, Menschliche Erblehre und Eugenik begonnenen Längsschnittstudie an Zwillingen. In die Auswertung der Befunde waren seine Assistenten einbezogen. In Kleinmachnow befand sich als Außenstelle der Arbeitsstelle der Akademie das von einer eigens dafür angestellten Mitarbeiterin bearbeitete Archiv der Zwillingsforschung. Diese Untersuchungen waren nicht von der notwendigen Fortune begleitet. Abgesehen davon, daß die Materialergänzung im geteilten Nachkriegs-Deutschland sehr schwierig war, sah sich K.GOTTSCHALDT im Fortgang der Datenanalyse in Konfrontationen mit seinen Assistenten verwickelt, welche methodische Bedenken geltend machten.

Zwischen 1956 und 1961 wurden am Institut Abteilungen für Arbeitspsychologie und Klinische Psychologie eingerichtet. Damit wurde die Basis für eine ab 1962 spezialisierte Diplomausbildung geschaffen: Diplompsychologe der Fachrichtung Ingenieur- und Arbeitspsychologie und Diplompsychologe der Fachrichtung Klinische Psychologie. Eine weitere Spezialisierung für Forensische Psychologie wurde vorbereitet, aber nicht realisiert. Diese fachrichtungsspezifische Diplomausbildung wurde bis zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten aufrechterhalten und ausgebaut.

1960 fand erstmals nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein Internationales Symposium von Psychologen an der Humboldt-Universität statt. Es wurde von Kurt GOTTSCHALDT geleitet und war Problemen der Entwicklungspsychologie gewidmet.

1960/61 verlassen nach tiefgreifenden Auffassungsdifferenzen mit ihrem Lehrer - von Revolte war auch die Rede - mehrere Mitarbeiter das Institut und gehen z. T. an die Pädagogische Fakultät der Humboldt-Universität, z. T. nach Jena, um an der Jenenser Universität das Institut für Psychologie aufzubauen. Seitens der politischen Führung (Zentralkomitee der SED, Abteilung Wissenschaften und SED-Kreisleitung der Humboldt-Universität ) bestand das Ziel darin, GOTTSCHALDT in seinem Wirkungskreis einzuschränken. Er wurde als Repräsentant einer "bürgerlichen Psychologie" gesehen, dessen Wirksamkeit auf die Lehre und Nachwuchsförderung möglichst gering ausfallen sollte. In der Tat hatte es GOTTSCHALDT verstanden, zu Zeiten, als dies nachdrücklich erwünscht war (bis Ende der 50 ger Jahre),seine Psychologie von einer strikt behavioristischen Psychologie PAWLOWscher Prägung zu distanzieren.
Kurt GOTTSCHALDT erhielt 1961 einen Ruf an die Universität Göttingen. Im Februar 1962 konnte GOTTSCHALDT diesem Ruf folgen.

GOTTSCHALDTs Schüler aus der Zeit seines Wirkens an der Humboldt-Universität wurden sämtlich Hochschullehrer an dieser Universität: Walter GUTJAHR als Dozent für Klinische Psychologie, Johannes HELM als o. Professor für Klinische Psychologie, Rolf JAKUSZEK als Dozent für Pädagogische Psychologie, Friedhart KLIX als o. Professor für Allgemeine Psychologie, Gerhard ROSENFELD als o. Professor für Pädagogische Psychologie, Hans-Dieter SCHMIDT als o. Professor für Entwicklungspsychologie und Hans SZEWCZYK als o. Professor an der Nervenklinik der Charité.