Störungen der Handlungskontrolle und Okulomotorik
Störungen der Handlungskontrolle sind ein wesentliches Merkmal verschiedener psychischer Erkrankungen. Die betroffenen neuropsychologischen Mechanismen sind jedoch relativ wenig erforscht. Eine Aufklärung solcher Mechanismen kann zu einem besseren Verständnis der Erkrankungen beitragen.
Ein Beispiel dafür ist die Schizophrenie, die als tiefgreifende Störung von Wahrnehmung, Denken, Emotionen und Handlungen beschrieben wird. Es besteht heute ein breiter Konsens darüber, dass viele Symptome dieser Erkrankung auf einer veränderten Physiologie des Gehirns beruhen, wobei vor allem die frontalen und temporalen Strukturen und ihre Verbindungen betroffen sind. Allerdings sind diese Veränderungen insgesamt eher subtil. Außerdem ist die Beziehung zwischen den physiologischen und den psychologischen Veränderungen bislang wenig verstanden. Traditionell werden psychologische Veränderungen aufgrund neuronaler Schädigungen mit neuropsychologischen Tests erfasst. Patienten mit Schizophrenie zeigen in vielen dieser Tests Leistungsbeeinträchtigungen, wobei vor allem Gedächtnisprozesse und Handlungskontrolle betroffen zu sein scheinen. Allerdings enthalten die meisten Tests sehr komplexe Aufgaben, die in der Regel mehrere kognitive Funktionen ansprechen. Rückschlüsse auf die betroffenen Mechanismen sind dadurch nur bedingt möglich.
In experimentellen Untersuchungen können einzelne Funktionen gezielter angesprochen werden. Von besonderer Bedeutung sind Aufgaben zur Kontrolle schneller Augenbewegungen (Sakkaden) werden. Bei einfachen Sakkaden zu neu auftretenden Reizen (Prosakkaden) zeigen Patienten mit Schizophrenie kaum Auffälligkeiten, was auf eine intakte motorische Basisfunktion hinweist. Defizite werden erst sichtbar, wenn weitere Anforderungen hinzukommen. Beispielsweise haben viele Patienten besondere Schwierigkeiten, eine Sakkade zum Reiz zu unterdrücken, wenn sie aufgefordert sind, in die entgegengesetzte Richtung zu schauen (Antisakkaden). Dabei werden mindestens zwei zentrale Funktionen der Handlungskontrolle angesprochen: die Initiierung erwünschter Handlungen und die Unterdrückung unerwünschten Handlungen. In einem längerfristigen Projekt untersuchen wir, wie diese Funktionen zur Handlungskontrolle beitragen, wie sie neuronal implementiert sind, und welche Teilfunktionen bei Patienten mit Schizophrenie beeinträchtigt sind. Neben der genauen Analyse der Augenbewegungen mit Hilfe sogenannter „Eye Tracker“ kommen dabei psychophysiologische Methoden wie die Elektroenzephalographie (EEG) und die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) zum Einsatz. Um die Funktion einzelner Hirnstrukturen besser zu verstehen, werden auch neurologische Patienten mit umschriebenen Hirnschädigungen untersucht.
Die Untersuchung der Schizophrenie-Patienten erfolgt in
Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Andreas Heinz in der Klinik für
Psychiatrie der Charité (Campus Mitte). Die Untersuchung der
neurologischen Patienten erfolgt in Zusammenarbeit mit PD Dr. Christoph
Ploner in der Klinik für Neurologie der Charité (Campus Mitte und
Virchowklinikum). Das Projekt ist Teil des Schwerpunktprogramms
„Exekutive Funktionen“ (SPP) der Deutschen Forschungsgemeinschaft
(DFG).
Ansprechpartner
Benedikt Reuter (Diplom-Psychologe), wissenschaftlicher Mitarbeiter (DFG)
Weitere Mitarbeiter
Cosima Franke (Diplom-Psychologin), wissenschaftliche Mitarbeiterin
(DFG)
Julia Bender, studentische Hilfskraft (DFG)
Finanzierung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Sachbeihilfe (KA-815-4)
Publikationen
Reuter, B., Philipp, M.A., Koch, I., & Kathmann, N. (2005).
Effects of switching between leftward and rightward pro- and
antisaccades. Biological Psychology, in press.
Reuter, B., Herzog, E., & Kathmann, N. (2005). Antisaccade
performance of schizophrenic patients: evidence of reduced task-set
activation and impaired error detection. Journal of Psychiatric
Research, in press.
Reuter, B., Rakusan, L., & Kathmann, N (2005). Impaired
antisaccade performance in schizophrenia. Psychiatry Research, 135,
1-10.
Reuter B. & Kathmann, N. (2004). Using saccade tasks as a tool to
analyze executive dysfunctions in schizophrenia. Acta Psychologica,
115, 255-269.
Kooperationen
Dr. Ulrich Ettinger, Department of Neurology, Neuroimaging Research
Group, Institute of Psychiatry, London,UK
Prof. Dr. Andreas Heinz, Charité Universitätsmedizin Berlin, Klinik
für Psychiatrie (Campus Mitte), Berlin
Prof. Dr. Georg Juckel, Westfälisches Zentrum Bochum, Klinik der
Ruhr-Universität
Prof. Dr. Iring Koch, RWTH Aachen, Institut für Psychologie
Dr. Andrea Phillip, RWTH Aachen, Institut für Psychologie
PD Dr. Christoph Ploner, Charité Universitätsmedizin Berlin, Klinik
für Neurologie
Dr. Markus Ullsperger, Max-Planck-Institut für Kognitions- und
Neurowissenschaften Leipzig
Prof. Dr. Arno Villringer, Berlin Neuroimaging Center (BNIC) und
Charité Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Neurologie
Doktorarbeiten
Heiss, Jasmin (2004): Dissoziation exekutiver Funktionen bei
hirngeschädigten Patienten.
Reuter, Benedikt (in Arbeit): Mechanismen der Sakkadenkontrolle und
deren Störungen bei Patienten mit Schizophrenie.
Diplomarbeiten
in Vorbereitung:
Bender, Julia: Neuronal correlates of initiating and suppressing
saccades.
Schulz, Lisa: Effekt des Reaktions- und Aufgabenwechsels bei Pro- und
Antisakkaden.
Abgeschlossen
Humpert, Katrin (2005): Reflexive errors in a fixation with
distracter task: effects of extinguishing the fixation stimulus in
schizophrenia patients and healthy control participants in a
fixation.
Kosak, Fabienne (2005): Reflexive Fehler in einer Fixationsaufgabe mit
Distraktoren: Effekte einer allgemeinen okulomotorischen
Reaktionsbereitschaft bei Patienten mit Schizophrenie und gesunden
Kontrollprobanden.
Rutsch, Bärbel (2005): Effekte einer externalen Unterstützung der
Blickbewegung auf die Antisakkadenleistung bei gesunden
Probanden.
Will, Katarina (2005): Effekte handlungsrelevanter und nicht
relevanter Distraktoren auf die Fixationsleistung von Patienten mit
Schizophrenie und gesunden Kontrollpersonen. (Effects of action
relevant and irrelevant distracters on fixation performance in patients
with schizophrenia and control participants; diploma thesis, in
progress).
Zeugmann, Sara (2005): Errors in the antisaccade task: the role of
volitional saccade generation in schizophrenia patients and healthy
subjects.
Herzog, Eva (2003): Handlungsüberwachung in der Antisakkadenaufgabe
bei Patienten mit Schizophrenie und gesunden Kontrollpropanden
Rakusan, Lucie (2003): Inhibition und Generierung von Sakkaden in der
Antisakkadenaufgabe bei Schizophrenen und Gesunden.
Roth, Egid (2003): noch zu ergänzen