Humboldt-Universität zu Berlin - Lebenswissen­schaftliche Fakultät - Institut für Psychologie

Embodiment

 

 

Embodiment sozialer Kognition: Wie das spontane Simulieren körperlicher Zustände uns hilft, die Gedanken und Gefühle anderer zu verstehen und zu teilen

 

Wissenschaftlerin: Svenja Köhne

Finanzierung: 

Aus persönlicher Erfahrung kennen wir das Gefühl, dass uns gemeinsames Musizieren und Tanzen verbinden und einander nahe fühlen lassen kann. Schon Theodor Lipps, der "Vater der Empathieforschung", beschrieb Empathie Anfang des 20. Jahrhunderts als einen körperlichen ("embodied") Prozess, bei dem wir den physischen Zustand eines anderen Menschen spontan mit unserem eigenen Körper simulieren und uns so in den anderen hineinfühlen und -denken können. Heute wird der Zusammenhang zwischen Imitation/Synchronisation und sozialer Kognition mit psychologischen und neurowissenschaftlichen Methoden untersucht (z.B. Chartrand & Lakin, 2013). Um den Zusammenhang von interpersoneller Imitation/Synchronisation und Empathie zu untersuchen, vergleichen wir u.a. Sportarten, bei denen dyadisches Synchronisieren von Bewegungen einen zentralen Stellenwert hat (Capoeira, Tango Argentino), mit Sportarten, die weniger zwischenmenschliche Synchronisation erfordern, aber ansonsten in Bewegungsqualitäten und Setting ähnlich sind (Break Dance, Salsa). Dabei untersuchen wir sowohl das spontane Simulieren körperlicher Zustände als auch kognitive und emotionale Empathie. Besonders relevant ist der Zusammenhang körperlicher und sozialer Prozesse mit Blick auf Erklärungsmodelle und Therapieansätze für psychische Störungen, die mit einer Beeinträchtigung der sozialen Interaktion einhergehen. Daher untersucht ein weiteres Projekt in Kooperation mit Dr. Merle Fairhurst die spontane Tendenz zur Imitation und Synchronisation von Bewegungen bei Menschen im Autismus-Spektrum. In einem interdisziplinären Team (Psychiatrie, Psychologie, Tanzpädagogik, Choreografie) haben wir eine 10-wöchige imitations-und synchronisationsbasierte Tanz-/Bewegungsintervention zur Stärkung von Empathiefunktionen für Erwachsene aus dem Autismus-Spektrum entwickelt (Behrends, Müller, & Dziobek, 2012), und mittels behavioraler, quantitativer und qualitativer Methoden evaluiert. Befunde aus neurowissenschaftlicher und behavioraler Forschung deuten darauf hin, dass besonders in Situationen, in denen der eigene emotionale, kognitive oder physische Zustand von dem der anderen Person abweicht, Perspektivübernahme nicht allein durch Simulationsprozesse erfolgen kann, sondern mit einer klaren mentalen Differenzierung zwischen dem Selbst und Anderen einhergehen muss. In Kollaboration mit Prof. Tania Singer und Ferdinand Hoffmann vom Max-Planck Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften wird untersucht, ob Menschen mit Autismus beim Teilen von Emotionen ähnlich wie beim Verstehen mentaler Zustände  (Theory of Mind) verstärkt von ihrem eigenen Zustand ausgehen, und welche neuronalen Netzwerke an dieser (fehlenden) Differenzierung beteiligt sind.